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Fensterwetter

Februar 17, 2011

Wieder eine sehr winterliche Woche, aber dieses Mal war ich klüger. Am Freitagnachmittag gab ich meine Schneeräumerei auf – wegen starken Schneefalls. Am Tag zuvor hatte ich noch eine ganze Stunde geschippt und geschoben, nur damit es kurze Zeit später wieder genau wie vorher aussah. Nun reichte es mir. Dann würde ich eben einfach zu Hause bleiben, war sowieso Wochenende. Sonntag abend könnte ich ja dann, wenn es so weiterschneite, einen Tunnel graben.

 

 

Es hörte allerdings bald auf zu schneien, und seitdem zeigt sich der Winter von seiner Schokoladen- äh, Zuckerglasurseite. Zumindest, solange man das Haus nicht verläßt. Es stürmte mal wieder, und die Temperatur fiel von +1 auf bis zu -15 Grad. In Island nennt man das gluggaveður, Fensterwetter. Tatsächlich verbrachte ich das Wochenende größtenteils staunend am Fenster. Gegen 10 Uhr morgens konnte ich schon zusehen, wie die Sonne über die verschneiten Berge wanderte und Vögel über das gräuliche Meer glitten. Alles war so wunderschön und still, daß ich den Computer ausmachte und alle Stecker zog, deren sonst kaum hörbares Surren die Stille durchdrang. Ich überlegte, den Plattenspieler anzuwerfen, aber selbst Musik hätte gestört.

 

 

Für einen Augenblick überlegte ich sogar, das Fenster zu putzen, um noch bessere Sicht zu haben – verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Dieses große Fenster hier geht nicht einmal auf, und von außen kommt man auch nicht richtig ran. Als ich den Vermieter am Anfang fragte, wie man das Fenster denn dann putzen könne, sah er mich nur irritiert an. … Ach so. Man putzt es nicht. Hätte ich mir ja nun wirklich denken können. Egal. Sonne! Erst jetzt fiel mir auf, wie sehr sie mir gefehlt hatte.

 

 

Gegen Mittag leuchtete der ganze gegenüberliegende Küstenstreifen. Nachmittags färbte die untergehende Sonne das Weiß der Berge langsam rosa, während der Himmel ein immer dunkleres Blau annahm.

 

 

Unter der Woche war weiterhin Bürokratiewahnsinn angesagt. Weil es langsam langweilig wurde, immer nur auf dem norwegischen Finanzamt rumzuhängen, habe ich mal wieder mit dem finnischen telefoniert. Ich werde stolze 42,91 Euro an Einkommenssteuer zurückbekommen! Die Hälfte davon ist wahrscheinlich bei dem 17-minütigen Auslandsgespräch (davon ca. eine Viertelstunde Warteschleife) draufgegangen.

Zur Ablenkung durfte ich mich ein wenig über meine Lieblingsfranzösin lustigmachen, wie sie greisengleich im Schneckentempo über Eis und Schnee tapste, in ständiger Angst davor, auszurutschen. Sie wies mich empört zurecht, und darauf hin, daß sie sich schon gebessert habe. Als ein Mann an uns vorbei zum Bus sprintete, starrte sie ihm fassungslos nach. „They must be genetically different. They must be. I don’t have these genes. I’ll never be like these people.“ – Zum Glück herrscht hier eine so ansteckende Entspanntheit, daß sich auch meine genetisch anders begabte Lieblingsfranzösin integrieren kann. Und so liefen bzw. tapsten wir durch die Stadt, tranken Tee bzw. Kaffee, nahmen den Bus zu mir nach Hause, suchten vergeblich nach ihrem ersten richtigen Nordlicht, und unterhielten uns über Norwegen und die Welt. Über das Schöne am Neuen. Und über das Vermissen von Vertrautem.
  

3 Kommentare leave one →
  1. nina permalink
    Februar 18, 2011 12:06 am

    so, jetzt hab ichs geschafft alle einträge hier nachzulesen, die ich noch nicht kannte =) ich freue mich vor allem über diese wunderschönen fotos und bin tatsächlich neidisch auf solche motive…
    ich wünsche dir viel erfolg beim kampf gegen den bürokratiedrachen und warte schon gespannt auf weitere neuigkeiten =)
    liebe grüsse!
    n.

  2. Sartje permalink
    April 9, 2011 2:53 pm

    ohohoh, das ist das zweite mal, dass ich so eine schneeschippe sehe, ich erinnere mich an sie aus einem skandinavischen kinderbuch, das ich einmal hatte, ich weiß nur noch nicht aus welchem… hmm… und was ist das niedliche kleine weiße haus auf dem ersten bild? das sieht putzig aus im schnee!
    danke für die schneeschippe und das häuschen und auch den text, natürlich! : )

    • April 9, 2011 3:08 pm

      Das niedliche kleine weisse Haus war eigentlich als Spielhaus fuer das Kind des Vermieters gedacht, aber jetzt ist es voll mit Zeugs (wie alles hier) ;)

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